Vollstreckung von Schiedssprüchen in Frankreich

Pariser Berufungsgericht bestätigt Exequatur eines DIA-Schiedsspruchs trotz Vorwürfen von Wettbewerbsverstößen

Hintergrund des Rechtsstreits

Das Pariser Berufungsgericht befasste sich mit einer Berufung, die von SG Distribution France SAS („SGDF“), ihren Tochtergesellschaften sowie vom Insolvenzverwalter der SG Distribution Gruppe eingelegt wurde. Diese Berufung richtete sich gegen eine Entscheidung des Pariser Zivilgerichts vom 8. Dezember 2022, die einem Schiedsspruch des Danish Institute of Arbitration („DIA) vom 11. August 2022 in Frankreich Vollstreckbarkeit verlieh.

Søstrene Grene Import A/S („Søstrene“), ein dänisches Unternehmen, hatte 2014 einen Franchise-Rahmenvertrag mit SGDF unterzeichnet, um in Frankreich ein Netzwerk von Franchisegeschäften unter der Marke Søstrene Grene aufzubauen. Jeder Franchisevertrag enthielt eine Schiedsklausel, die das DIA als zuständige Schiedsinstitution für Streitigkeiten festlegte.

Entwicklung der vertraglichen Beziehungen undStreitigkeiten:

2018: Søstrene entschied, eigene Filialen in Frankreich zu eröffnen, und beabsichtigte, die bestehenden Verträge durch verschiedene Zusatzvereinbarungen zu ändern. Die SG-Unternehmen widersetzten sich diesen Änderungen.

März 2018: Søstrene kündigte den Rahmenvertrag sowie einige Franchiseverträge für vier Geschäfte mit einer Kündigungsfrist von 24 Monaten.

August 2019: SGDF wurde am 22. August 2019 einem Sanierungsverfahren unterstellt, und einige SG-Unternehmen wurden in die Liquidation versetzt; ein Insolvenzverwalter wurde bestellt.

November 2020: Søstrene kündigte fünf weitere Franchiseverträge.

Januar 2021: Søstrene leitete ein Schiedsverfahren gemäß der Schiedsklausel ein, nachdem SGDF und die SG-Unternehmen diese Kündigungen angefochten hatten.

Der Schiedsspruch (11. August 2022)

Das Schiedsgericht entschied insbesondere: (a) Bestätigung der Gültigkeit der Kündigungen der Franchiseverträge durch Søstrene; (b) Verpflichtung von SGDF und ihren Tochtergesellschaften, erhebliche Beträge an Søstrene gemäß den Verträgen zu zahlen; (c) Zurückweisung der Widerklagen der SG-Unternehmen; und (d) Zuweisung der Schieds-und Verfahrenskosten zugunsten von Søstrene.

Der Präsident des Pariser Zivilgerichts verlieh den Hauptpunkten des Schiedsspruchs, insbesondere hinsichtlich der Gültigkeit der Kündigungen und der finanziellen Verpflichtungen, Vollstreckbarkeit (8.Dezember 2022).

Der Aufhebungsantrag

Die SG-Unternehmen und ihrer Insolvenzverwalter fochten diese Exequatur-Anordnung an und machten geltend, dass die Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen die internationale öffentliche Ordnung verstoße.

Sie argumentierten insbesondere:

Verletzung des Prinzips der Waffengleichheit und des rechtlichen Gehörs durch den Schiedsrichter: Der Schiedsrichter habe ihnen verwehrt, bestimmte Verteidigungsmittel vorzubringen und Zeugen anzuhören. Er habe es abgelehnt, die Vorlage bestimmter Dokumente anzuordnen oder aus deren Nichtvorlage Konsequenzen zu ziehen.

Verstoß gegen das Verbot wettbewerbswidriger Praktikengemäß Artikel 101 AEUV sowie der Artikel L. 442-6 I 2°, L.420-1 und L.420-2 des französischen Handelsgesetzbuchs, die Teil der internationalen öffentlichenOrdnung seien. In diesem Fall: (a) Die in den Verträgenenthaltenen „Push“-Klauseln zwängen die Franchisenehmer, Waren ohne Bedarfzu kaufen, was eine wettbewerbswidrige Praxis darstelle; (b) es bestehe einerhebliches Ungleichgewicht zugunsten von Søstrene, da die Franchisenehmerkeine Verhandlungsmöglichkeiten hätten; und (c) Diskriminierende Praktiken gegenüber Franchisenehmern, insbesondere durch die Verweigerung des Zugangs zu "Bestseller"-Produkten und das Verbot, eigene Websites oder Online-Shops zu eröffnen.

Verstoß gegen zwingende Bestimmungen des Insolvenzrechts, insbesondere bezüglich der Aussetzung individueller Verfolgungen und des Zinslaufs nach Eröffnung des Verfahrens.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht stellte Folgendes fest.

Zum Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs und derWaffengleichheit: (a) das Gericht wies die Vorwürfe zurück und stellte fest, dass die Parteien in der Lage waren, ihre Argumente umfassend vorzubringen; (b) die Entscheidungen des Schiedsrichters bezüglich der Zulassung von Beweismitteln und Zeugen lagen im Rahmen seines Ermessens und verletzten nicht die internationale öffentliche Ordnung;

Zum erheblichen Ungleichgewicht und den wettbewerbswidrigen Praktiken: Das Gericht befand, dass die Bestimmungen des Artikels L.442-6 I 2° des Handelsgesetzbuchs interne Eingriffsnormen darstellen und deren Verletzung nicht per se    einen Verstoß gegen die internationale öffentliche Ordnung darstellt, da sie dem Schutz privater Interessen dienen.

Bezüglich der wettbewerbswidrigen Praktiken gemäß Artikel 101 AEUV erkannte das Gericht an, dass dieser Artikel Teil der internationalen öffentlichen Ordnung ist. Allerdings konnten die SG-Unternehmen keine ernsthaften, präzisen und übereinstimmenden Indizien für eine solche Verletzung vorlegen: (a) die „Push“-Klausel wurden als vertraglich vereinbarte Mechanismen angesehen, die keine verbotene Praxis darstellen ; (b) es gab keine Nachweise für eine abgestimmte Praxis oder Wettbewerbsbeschränkung; und (c) die Behauptungen bezüglich der Diskriminierung beim Zugang zu „Bestsellern“ und des Verbots von Online-Verkäufen wurden als unbegründet erachtet.

Zu den Insolvenzrechtsverletzungen: Das Gericht stellte fest, dass die Exequatur-Entscheidung den Prinzipien des Insolvenzrechts entspricht, da sie nur die Anerkennung der Ansprüche betrifft und keine Vollstreckbarkeit hinsichtlich bereits eröffneten Insolvenzverfahren begründet.

Ergebnis

Das Berufungsgericht bestätigte die Exequatur-Entscheidung und wies die Berufung der SG-Unternehmen zurück. Es verurteilte sie zudem zur Zahlung der Verfahrenskosten und eines Betrags von 20.000 € an Søstrene gemäß Artikel 700 der Zivilprozessordnung.

Link zur Entscheidung
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